018: Weihnachtszeit! Und damit Wunschzettelzeit! Blöd nur, dass Mirkos Hund Russel den blauen Buntstift gefressen hat und Mirko deshalb nur ein gelbes Rennauto auf den Wunschzettel malen kann. Und der Weihnachtsmann dann vergisst, was Mirko ihm erzählt hat. Und überhaupt irgendwie alles zu vergessen scheint…Frohe Weihnachten!
Der vergessliche Weihnachtsmann
Kapitel 1
Oh man, ich glaube, ich habe verschlafen! Heute kommt doch der Weihnachtsmann in den Kindergarten! Das darf ich auf gar keinen Fall verpassen! Ich will ihm nämlich noch sagen, dass ich mir doch lieber das blaue statt das gelbe Rennauto an Heiligabend wünsche. Auf meinen Wunschzettel habe ich ein gelbes Rennauto gemalt, weil der blaue Buntstift verschwunden war. Ich vermute, den hat unser Hund Russel gefressen. Wenn bei uns etwas verschwindet, hat immer Russel Schuld. Ich meine, er könnte ja auch sagen, wenn es nicht stimmt. Tut er aber nicht. Also sein Fehler. Dass er ein Hund ist, zählt nicht! Mama sagt immer, dass Russel ein richtiges Familienmitglied von uns ist! Also muss er für seine Fehler auch gerade stehen!
Naja, jedenfalls gefällt mir das blaue Rennauto im Einkaufsladen um die Ecke aber nun doch viel besser. Und deshalb muss ich dringend in den Kindergarten! Ui, ist das noch dunkel. Vorsichtig krabble ich über die Matratze und lass mich aus dem Bett plumpsen.
„Aua, du hast mir direkt in den Bauch getreten“, nuschelt es verschlafen von unten. Das ist meine Mama. Wieso liegt die denn auch auf der Matratze vor dem Bett? Ich verstehe das nicht. Jede Nacht komme ich aus meinem Bett in das Bett von Mama und Papa gekrabbelt, weil es da sooooo kuschelig ist! Und Mama schläft freiwillig auf der Matratze auf dem Boden! Das soll einer verstehen! Ist doch klar, dass ich dann auf sie rauf trete!
„Mama, aufstehen, wir haben verschlafen“, rufe ich aufgeregt und rüttle an Mamas Arm. Normalerweise stehen Mama und Papa immer vor mir auf.
Jetzt brummt es vom Bett herunter: „Mirko, es ist 5 Uhr am Morgen! Wir können noch 2 Stunden schlafen. Komm wieder ins Bett!“ Das klingt nach meinem Papa. Aber 5 Uhr am Morgen? Das kann nicht stimmen! Ich tapse zum Lichtschalter und schalte die Lampe an. Vielleicht kann Papa die Uhrzeit auf dem Wecker jetzt besser erkennen.
„Mirko, mach das Licht aus und komm wieder ins Bett!“ Papa klingt jetzt ein wenig gereizt. Vielleicht hat er doch Recht? Ich krieche wieder zu ihm unter die Decke und versuche noch einmal einzuschlafen.
Drei Stunden und keine Minute mehr Schlaf später gehe ich an Mamas Hand Richtung Kindergarten. Mama schleicht müde neben mir her. Russel bleibt alle 5 Meter stehen und schnüffelt am Boden. Meine Güte, so kommen wir ja nie an! Ein Glück sind da vorne meine Freundin Mia und ihr Papa! Die beiden haben aber einen schnellen Schritt drauf! Ich sprinte los und schnappe mir Mias Hand.
„Mama, ich gehe heute mit Mia zum Kindergarten“, rufe ich meiner Mutter zu und winke ihr entschlossen.
Mama winkt zurück und antwortet: „In Ordnung, Spatz!“ Wie peinlich, so nennt mich Mama immer. Aber doch bitte nicht vor Mia! „Ich hole dich dann später ab“, schiebt sie noch müde hinterher und dreht erleichtert mit Russel um.
Kapitel 2
„Mirko, setz dich doch zu uns in den Singkreis! Wir werden den Weihnachtsmann schon nicht verpassen! Er klopft bestimmt bald bei uns an die Tür!“, fordert mich meine Erzieherin Erika auf.
Kennt sie sich denn mit Weihnachtsmännern gar nicht aus? Die kommen doch mit einem riesigen Schlitten und Rentieren davor angeflogen. Und der einzige Platz, auf dem der Weihnachtsmann mit so einem Gespann landen kann, ist das Außengelände von unserem Kindergarten. Und ich will sehen, wie er da landet! Vorne auf der Straße ist es viel zu eng. Er kann also nur von hinten an unsern Kindergarten heran. Ich bleibe deshalb eisern am Fenster stehen, den Blick starr aus dem Fenster gerichtet und die Ohren Richtung Gruppe gedreht. Die schönen Weihnachtslieder möchte ich nämlich nicht verpassen!
„Klopf, klopf, klopf“, bollert es von unserer Gruppentür her. Erschrocken drehe ich mich um.
„Oh, wer das wohl ist“, fragt Erika in die Runde und geht erwartungsvoll zur Tür. Ich und die anderen Bären (wir sind schließlich die Bärengruppe) blicken gespannt auf die Tür. So ein ganz klein bisschen mulmig ist mir im Bauch. Aber nur ein ganz kleines bisschen. Ich meine, man begegnet ja nicht jeden Tag dem Weihnachtsmann und wer weiß, wie der heute drauf ist! Der hat ja auch gerade eine stressige Zeit mit Geschenke einpacken und rum fliegen und so. Nicht, dass der heutige brummig drauf ist!
Erika öffnet die Tür und tatsächlich! Da steht ein großer, dicker Typ mit rotem Mantel und weißem Bart. Halt so, wie man sich einen Weihnachtsmann vorstellt. Nur seine Füße habe ich mir anders vorgestellt. Statt dicken schwarzen Stiefeln, wie sie alle Weihnachtsmänner auf Bildern tragen, hat er dunkelblaue Socken mit hellblauen Sternen drauf an. Naja, vielleicht hat unsere Kindergartenleitung, die Claudia, von dem Weihnachtsmann verlangt, dass er vorne die dreckigen Stiefel auszieht. Claudia kann da sehr streng sein. Ich musste schon mal mit Besen und Kehrblech den Dreck wegfegen, den ich mit meinen dreckigen Schuhen vom Sandkasten bis in die Gruppe getragen hatte. Und ich kann mir gut vorstellen, dass Claudia das auch von dem Weihnachtsmann verlangt, wenn er mit seinen schmutzigen Stiefeln durch den Kindergarten läuft.
Jetzt kommt der Weihnachtsmann durch die Tür und lässt sich schwerfällig auf einen unserer kleinen Stühle plumpsen. Oh, ob der Stuhl zusammenbricht? Aber nein, das Ding hält!
„Hohoho“, lacht der Weihnachtsmann freundlich. Der Typ scheint ganz nett zu sein. Brummig ist er jedenfalls nicht drauf. Er klatscht sich auf die Oberschenkel und brummt in tiefen Tönen: „Kinder, ich komme von weit, weit her und habe euch etwas mitgebracht. Meine Rentiere haben einen Schlitten beladen mit Geschenken für alle Kinder auf der Welt durch Schnee und Eis gezogen, um euch eine Freude zu machen.“
„Das stimmt gar nicht!“, rutscht es mir heraus. Erschrocken halte ich mir die Hand vor den Mund.
„Was meinst du damit, mein Junge?“, fragt mich der erstaunte Weihnachtsmann.
„Na, dass du mit dem Schlitten und Rentieren gekommen bist. Vorne die Straße ist viel zu eng und kurvig um dort mit dem Schlitten zu landen. Und hinten auf dem Außengelände steht der Schlitten nicht. Da habe ich schon nachgeschaut!“ Herausfordernd blicke ich den Weihnachtsmann an. Jetzt bin ich mal gespannt, wie er das erklären will.
„Ich, äh“, stottert der Weihnachtsmann los.
„Der Schlitten steht im Stadtpark. Da parkt er jedes Jahr“, erklärt Erika.
Der Weihnachtsmann nickt. Ich überlege. Dann erwidere ich: „Das kann auch nicht sein. Im Stadtpark stehen ganz viele Bäume. Wie sollst du denn da aus dem Himmel landen ohne die Bäume zu streifen?“ Erwartungsvoll blicke ich den Weihnachtsmann an. Die andern Kinder tun das ebenfalls. Erika wird ein wenig rot im Gesicht.
Da erklärt der Weihnachtsmann: „Ich habe meinen Zaubersternenstaub dabei. Wenn ich den auf die Bäume werfe, neigen sie sich zur Seite und ich kann unbeschadet mit dem Schlitten im Park landen. Und jetzt gibt es Geschenke!“
Zaubersternenstaub? Habe ich noch nie gehört. Gefällt mir aber. Boah, wenn ich auch was von dem Zeug hätte, könnte ich das nächste Mal, wenn wir zu Oma Ingrid fahren, einfach ein bisschen Zaubersternenstaub auf die vollgepfropfte Autobahn streuen und schon hätten wir freie Fahrt! Dann müsste ich nicht ewig lange mit Mama >Ich sehe was, was du nicht siehst< spielen. Während ich so darüber nachdenke, bekomme ich vom Weihnachtsmann ein kleines Päckchen mit Leckereien in die Hand gedrückt und er macht sich auf den Weg, unsere Gruppe zu verlassen, um die anderen Kinder zu beschenken. Im letzten Moment renne ich ihm noch hinterher und ziehe an seinem roten Mantel.
„Was ist denn noch, junger Mann? Hast du noch Fragen zu meinem Schlitten?“, grinst mich der Weihnachtsmann an.
„Nein, nein, aber ich wollte noch sagen, dass ich mir statt des gelben Rennautos auf meinem Wunschzettel nun doch lieber ein blaues Rennauto wünsche“, sprudelt es aus mir heraus.
„Ach so“, sagt der Weihnachtsmann. „Keine Sorge, das merke ich mir.“ Er streicht mir noch einmal über den Kopf und verschwindet im Gang. Puh, Glück gehabt, dass ich da noch dran gedacht habe!
Nach dem Mittagessen holt mich Mama ab. Ich bin heute das erste Kind, dass aus dem Kindergarten abgeholt wird. Wir wollen noch neue Winterschuhe kaufen. Es hat am Wochenende nämlich das erste Mal geschneit und ich habe in meinen Turnschuhen gleich nasse Füße bekommen. Wir gehen durch den Kindergarten und dann vorne durch den kleinen Eingangsbereich zur Haustür. Und da sehe ich sie! Die dicken, schwarzen Stiefel vom Weihnachtsmann! Aber der Weihnachtsmann ist schon lange weg!
„Mama, der Weihnachtsmann hat seine Stiefel vergessen“, erkläre ich meiner Mama verwundert. Dann reiße ich mich von ihrer Hand los, renne zurück zu Erika und erzähle ihr von den vergessenen Stiefeln.
„Oh“, sagt Erika. „Dann bekommt er bestimmt kalte Füße. Spätestens heute Abend wird er sie bestimmt abholen.“
Kapitel 3
Mama und ich sind zum großen Einkaufscenter im Nachbarstadtteil gefahren. Dort gibt es einen Schuhladen und auch eine Spielzeugabteilung. Mama möchte nämlich, dass ich ihr zeige, welches blaue Auto ich mir vom Weihnachtsmann wünsche. Falls der Weihnachtsmann sie fragt. Aber wann soll er das denn bitteschön machen? Eltern sind manchmal wirklich komisch.
Als wir auf den Parkplatz vom Einkaufscenter fahren, stellen wir erstaunt fest, dass dort ein kleiner Weihnachtsmarkt ist.
„Mama, können wir uns Schmalzkuchen holen“, frage ich meine Mama und schaue sie dabei ganz hungrig an.
„Klar, das machen wir“, lacht sie.
Hand in Hand schlendern wir an den kleinen Ständen vorbei. Wir biegen um die Kurve und wer steht da, umringt von Kindern? Der Weihnachtsmann! Das gibt es doch nicht, der hat ja richtig was zu tun in unserer Stadt! Der klappert wohl alle Orte ab, an denen er Kinder trifft. Ich bücke mich etwas, um durch die Beine der Kinder zu luken. Aha, habe ich es mir doch gedacht! Der Weihnachtsmann hat keine Stiefel an! Stattdessen trägt er schwarze Turnschuhe! Die hat er bestimmt als Ersatzschuhe in seinem Schlitten liegen gehabt. Entschlossen drängle ich mich durch die Kinderschar und stelle mich vor den Weihnachtsmann.
„Deine Stiefel stehen noch bei uns im Kindergarten“, erkläre ich ihm. Verwundert blickt mich der Weihnachtsmann an. „Meine Stiefel?“
„Ja, im Kastanienhofkindergarten. Da warst du doch heute morgen. Du bist echt vergesslich“, sage ich kopfschüttelnd. „Und deine Stiefel hast du dort im Eingangsbereich vergessen.“
„Ach so, ja, stimmt. Danke für den Hinweis“, antwortet der Weihnachtsmann verwirrt.
„Aber meinen Weihnachtswunsch weißt du noch, oder?“ Herausfordernd blicke ich dem Weihnachtsmann in die Augen.
„Also, das war… Äh…. Hilf mir nochmal auf die Sprünge“, bittet mich der Weihnachtsmann. Oh man, das wird ja ein Weihnachtsfest! Wahrscheinlich werde ich die pinken Schlittschuhe bekommen, die sich Mia wünscht, und Mia wird das Italienische Kochbuch kriegen, dass sich Papa wünscht. So oder so ähnlich wird es wohl ablaufen, wenn der Weihnachtsmann so vergesslich ist!
„ICH WILL DAS BLAUE UND NICHT DAS GELBE RENNAUTO“, rufe ich dem Weihnachtsmann ins Gesicht. Der schaut mich schockiert an.
„Entschuldigung!“ Meine Mama legt mir die Hand auf die Schulter und nickt dem Weihnachtsmann zu. „Es scheint ihm wohl sehr wichtig zu sein!“ Dann schiebt sie mich aus dem Gedränge.
„Mirko, der Weihnachtsmann hat wirklich viel zu tun! Sei ein bisschen nachsichtig mit ihm!“
Ich nicke. Es tut mir nun doch ein bisschen Leid, dass ich den Weihnachtsmann so angebrüllt habe. Ich meine, eigentlich ist der Typ ja ganz in Ordnung. Aber ich sehe Weihnachten schon im Chaos versinken!
„Weißt du, der Weihnachtsmann hat viele kleine Wichtel, die ihm helfen. Am Ende kriegt jeder eine Kleinigkeit, die er sich gewünscht hat. Da achten die Wichtel schon drauf“, beruhigt mich Mama.
„Ok“, ich nicke resigniert. „Ich möchte nur das blaue Rennauto. Die anderen Geschenke sind mir egal“.
Dann gehen wir einkaufen. Mir fällt noch ein, dass auch eigentlich unser Hund Russel an allem Schuld ist und nicht der Weihnachtsmann! Hätte er nicht den blauen Buntstift gefressen, hätte ich ein blaues Auto auf den Wunschzettel gemalt und ich hätte dem Weihnachtsmann meine Wunschänderung gar nicht erzählen müssen! Aber egal.
Acht Tage später ist Weihnachten. Ich habe inzwischen akzeptiert, dass ich wohl ein gelbes Rennauto bekommen werde. Immerhin hat der Weihnachtsmann daran gedacht, seine Stiefel aus dem Kindergarten abzuholen. Wahrscheinlich waren seine Füße in den dünnen Turnschuhen so kalt, dass er das nicht vergessen konnte. Jedenfalls meinte Erika, der Weihnachtsmann hat die Stiefel wohl noch in der Nacht nach dem Besuch in unserem Kindergarten abgeholt.
Mama, Papa und ich gehen in das vom Tannenbaum hell erleuchtete Wohnzimmer. Unsere ganze Verwandtschaft ist auch mit dabei. Unter dem Tannenbaum liegt ein kleines Paket, auf dem Mirko steht. Ich schnappe es mir sofort und packe es aus. Und du wirst es nicht glauben! Es ist ein blaues Rennauto! Ich falle meinem Papa in die Arme. Der zeigt mir freudig sein Italienisches Kochbuch. Ich bin wirklich erstaunt! Das hätte ich dem alten Weihnachtsmann echt nicht zugetraut!
Ach, und noch was. Damit der Tannenbaum ins Wohnzimmer passt, mussten wir das Sofa ein Stück zur Seite schieben. Und komischerweise lag darunter der blaue Buntstift. Aber das hätte Russel uns doch sagen können, findest du nicht auch???